Der Eingang zu 'Lo de Celia' sieht ein bisschen, wie der eines Ganovenlokals aus. Wie bei vielen Milongas gibt es kein großes Schild, sondern nur ein Portier, der die hineingehende Kundschaft kurz einschätzt und sie durchläßt, oder auch nicht. Er ist auch für die Bestellung von Taxen und Remis (Privatautos, billiger als normale Taxen, müssen mit Zeit vorbestellt werden und machen in der Regel nur längeren Fahrten) verantwortlich. Der Treppenaufgang ist schmal und gelblich beleuchtet, er hat etwas sonderbares: ob man in einem Amt, einem Puff oder tatsächlich einer Milonga reingeht, entscheidet sich im aller letzten Sekunden, wenn man an der 'boletería' ein Eintritt für 2 pesos (damas), bzw. 3 pesos (caballeros) bei 'Don Eduardo' kauft, ein Mann, der so aussieht, als habe er nie woanders gelebt, außer in dieser Kabine.
'Lo de Celia' ist eins jener traditionalen Lokalen, in denen Frauen und Männer getrennt sitzen. Angekommen, wird man einzeln von der Gastgeberin gegrüßt und eines Platzes zugewiesen. Um die Tanzfläche herum, wie in Mannschaften aufgeteilt sitzen sich einer Frauengruppe der anderen gegenüber, während das gleiche aber quer dazu mit den Männergruppen geschieht. Man muss anmerken, dass die Sitzlokalisation der Männer auch noch stark hierarchisiert ist. an der Seite des Eingangs, zur Anerkennung, sitzen die eingefleischten Milongueros zusammen, die die für und im Tango leben. Auf der gegenüberliegenden Seite, sitzen die andere Männern. Bei den Frauen ist dies nicht so markant, aber dennoch auch gegeben. Und zwar: nur die beliebten Milongueras werden an der ersten Reihe der jeweiligen Seite plaziert, damit sie rasch und ohne Hindernisse auf die Tanzfläche gehen können. Die anderen, die an der zweiten Reihe sitzen, haben mehr Schwierigkeiten, vor allem wenn es voll ist, auf die Tanzfläche zu gelangen. Nun sitzen Männern und Weibern derart, dass jeden verbalen Kontakt einfach unmöglich ist. Durch die Sitzordnung und Einreihung wird jeden Gang um die Tanzfläche herum zu einem Unternehmen, das man nur im Notfall (Toilette & Co.) angehen sollte. In diesem Zusammenhang wird die Beherrschung der Technik des 'Cabeceo' (mit dem Kopf nickend jemand auffordern, bzw. dadurch signalisieren, dass man sich aufgefördert fühlt) zu einer überlebensnotwendigen Qualität eines jeden Tanzwütigen. Ein gekonntes 'Cabeceo' zeichnet sich durch einen entschlossenen fragenden Blick, der aber nicht überdeutlich sein darf, sonst könnten sich die anderen potentiellen Deutern des Signals, um die intendierte Person herum gemeint fühlen. Außerdem, da es auch beim 'Cabeceo' Körbe gibt, will der Fragende nicht, dass die anderen mitbekommen, er sei abgewiesen worden. Ein Korb zu geben ist sehr einfach, entweder man ignoriert den Blick oder wenn die Augen sich irrtümlicherweise getroffen haben sollten, sollte man dann auf gar keinen Fall mit dem Kopf nicken oder irgendeine vertikale Bewegung damit machen und langsam aber kontinuierlich den Blick einfach abwenden. Am aller wichtigsten ist es aber: soweit man sich gemeint gefühlt hat, sollte man irgendeine angemessenen Reaktion zeigen (die Intention aufzustehen u.s.w.), denn keiner der Partien weiß, bis man an die Tanzfläche angekommen ist, ob die Kommunikation erfolgt ist und eine verspätete Reaktion wird schnell als mißlungener Versuch gedeutet.
Und was zum Beispiel, wenn ein Zeichen an der falschen Person ankommt und man eine ganze 'Tanda' mit jenem Mann tanzen muss, der einem den Rücken letzte Woche beinahe gebrochen hatte, oder aber mit der eingeschnappten Kuh, die sich für ganz toll hält und mir die Füße wund getrampelt hat? Naja, longdistanz-communication ist immer schon kompliziert gewesen, dafür aber irgendwie bequemer (man muss sich niemandem vom Halse halten, z.B.) und außerdem eine 'Tanda' ist ja nur vier Tangos lang und wenn die Situation wirklich unangenehm sein sollte, kann man den Smalltalk zwischen den Tangos erheblich in dem nächsten Tango hinein ausbreiten oder zu Not, sich dann beim dritten Tango höfflich bedanken. Ich habe von einigen Frauen gehört, die absichtlich einen Mann herbei-cabecean, aber am Ende gar nicht aufstehen, sondern der Freundin, die nicht aufgefordert wird den Platz geben. Dies ärgert sehr die Männer...aber Frauen sind ja solidarisch. Und eigentlich kann eine einigermaßen sensible Frau im gutgeführten Milonguero-Stil nicht wirklich schlecht tanzen, sagen zumindest die alten Milongueros...
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